Dürrenmatts „Romulus“ in der Reformschule.
Die Villa des Kaisers Romulus in Campanien, 476 nach Christi Geburt. Die Germanen stehen vor den Toren Roms. Weltuntergangsstimmung. So jedenfalls die historische Ausgangslage. Doch der weströmische Kaiser Romulus bleibt in Dürrenmatts Tragikomödie jedoch stoisch gelassen und trotzt der allgemeinen Panik in einer nahezu unheimlichen Ruhe und Aufgeräumtheit. Seine einzig wirkliche Leidenschaft gilt seiner Hühnerzucht. Er hat daher seinen Palast zu einem großräumigen Hühnerstall verkommen lassen.
Doch bei genauerem Hinsehen, steckt hinter seinem Vorgehen Methode: Romulus hat sich zum Richter über Rom gemacht. Sein Urteil: Die römische Zivilisation, die Jahrhunderte lang so viele Völker unterjocht und grausam beherrscht hat, soll den Preis ihrer Rücksichtslosigkeit zahlen: mit ihrem Untergang.
Dabei wäre die Rettung so einfach: Der Hosenfabrikant Cäsar Rupf bietet Romulus an, den Germanenfürst Odoaker zu bestechen, und so einen Abzug der germanischen Truppen herbeizuführen. Seine Bedingung: Die Hand von Rhea, der Tochter des Kaisers. Romulus lehnt ab, und das obwohl sein plötzlich aufgetauchter Schwiegersohn in spe, Ämilian, bereit wäre seine Verlobte Rea um der Rettung des lädierten Reiches willen an den Hosenfabrikanten zu verschachern.
So sieht der vaterlandstreue Ämilian nur noch einen Weg zur Rettung: „Dieser Kaiser muss weg.“ Doch auch die Intrige und der geplante Tyrannenmord scheitern. Schließlich sind die Germanen da. Doch Dürrenmatt steht als Garant dafür, dass das Geschehen dieser Tragikomödie mit Hilfe des Zufalls bis zum letzten Moment immer neue überraschende Wendungen nimmt…
Diese zuschauerfreundliche Dramaturgie ist Dürrenmatts ureignes Stilmittel, der damit – und nicht nur in diesem Stück – deutlich zu machen versuchte, dass es heutzutage für den Einzelnen nicht mehr möglich ist, die Weltgeschichte zu ändern, weil der Zufall auch hehrsten Ziele auf bittere Weise durchkreuzt und ihr Gegenteil verkehrt.
Dürrenmatts „Romulus“ besticht deshalb gerade in seiner Gebrochenheit. So feierten einige Kritiker ihn deshalb auch als gewaltlosen Helden, während andere ihn als einen weltfremden Tyrannen geißelten, der unter dem Deckmäntelchen eines äußerst fragwürdigen Humanismus bereit ist, egoistisch-idealistisch seinem ureigensten Dogma zu frönen und dabei gewissenlos über Leichen zu gehen – zumindest die seiner Familie und seiner Untertanen.
Text und Fotos: Peter Will
Die Mitwirkenden
Romulus Augustus | Arne Lange |
Julia, seine Frau | Lara Görtz-Mann |
Rea, seine Tochter | Esha Hammer |
Zeno, der Isaurier (Kaiser Ostroms) | Amelie Herrnsdorf |
Ämilian, Römischer Patrizier | Lisa Jürgens |
Hamlet | Sinja Hammer |
Polonius | Arne Lange |
Mares, Kriegsminister | Nicola Graage |
Tullius Rotundus, Innenminister | Leona Domes |
Gallus und Pollux, Hühnerminister | Sara Steinberger & Jana Motzka |
Spurius Titus Mamma. Reiterpräfekt | Leonie Lapp |
Achilles, Kammerdiener | Josephine Hüneburg |
Apollyon, Kunsthändler | Katharina Reschke |
Cäsar Rupf, Industrieller | Valentin Knublauch |
Phylax, Schauspiellehrer | Marie Motzka |
Odoaker, Fürst der Germanen | Leon Knublauch |
Theoderich, sein Neffe | Sara Steinberger |
Phosphoridos, Kämmerer Zenos | Jana Lowitzki |
Sulphurides, Kämmerer Zenos | Lena Lowitzki |
Ein Koch | Lenja Menzel |
Dienstmänner | Lenja Menzel und Marie Motzka |
Eilbote | Sara Steinberger |
Germanen | alle Mitglieder des Ensembles |
Lichttechnik | Jonatan Molinski |
Kulisse und Köstüme | Monika Molinski |
Regie | Gabriela Ortega Sánchez, Peter Will |
Wir sind insbesondere für die „Hühnerminister-Szene“ zu großem Dank verpflichtet: Miriam Bräu & Leoni Schlender