Interview mit Lina Honens und Mira Barkey über den Präsentationswettbewerb der hessischen Versuchsschulen „Bühne frei für helle Köpfe“.
Redaktion: Am Besten fangen wir damit an, dass ihr mir erzählt, worum es in euren Präsentationen ging…
Mira: Das Thema meiner Halbjahresarbeit im letzten Jahr war, eine Friedensgöttin zu machen, eine Skulptur zu bauen. Das war zu der Zeit, als viel über den Irak diskutiert wurde. Und da habe ich überlegt, da möchte ich etwas Positives und etwas Künstlerisches zum Thema Frieden darstellen. Ich war auf Materialsuche auf der letzten Documenta, aber da waren nur Kriegs-, nur Gewaltdarstellungen zu sehen. Ich habe mich dann dort mit dem japanisch-amerikanischen Künstler Kas unterhalten, den meine Eltern kennen, wie man das machen könnte. Und schließlich gab es eine Künstlerin namens Nikki de Saint Phalle, deren Nanas ich ziemlich ausdrucksstark finde. Da habe ich mir gedacht, man könnte doch mal eine Skulptur bauen. Ich habe dann verschiedene Zeichnungen angestellt und viel herumgefragt: Welche findest denn du gut? Dann habe ich erst mal allgemein gearbeitet, auch an meiner Mappe, habe darin den Bau meiner Skulptur beschrieben und habe das dann vorgetragen, also, erst einmal wie ich dazu gekommen bin, die Skulptur zu bauen, meine Ideensammlung. Weiter habe ich die Symbole beschrieben, die ich dafür verwendet habe, den Ölzweig, die Friedenstaube, Regenbogen, Apfel und eine Blume und dann natürlich den Bau.
Redaktion: Und du hattest deine Göttin mit?
Mira: Ich hatte die Göttin mit…
Redaktion: Also: die Göttin stand dort und darüber hast du darüber deinen Vortrag gehalten.
Mira: Genau.
Lina: Und hast erklärt, was die Symbole bedeuten.
Mira: Ja, ich hatte dann auch noch Folien, womit ich sie erklärt habe. Und zum Einstieg hatte ich Kriegsbilder, Bilder von verletzten Kindern, zerstörten Häusern, von einer Familie, die vor einem Panzer wegläuft, damit die Leute erst einmal schockiert sind und habe meine Präsentation daran aufgebaut. Zum Abschluss hatte ich noch ein Friedensgedicht von Ernst Ferstel „Wer mit sich selber in Frieden lebt, kommt nicht in Versuchung, andern den Krieg zu erklären“ aufgesagt, sozusagen ein Gedicht, das auch meine Friedensgöttin sprechen könnte.
Redaktion: Na, das hört sich doch auch preiswürdig an…
Mira: Ja, ich glaube, es lag – so habe ich es jedenfalls gehört – gar nicht am Vortrag, so wie ich es strukturiert bzw. gegliedert hatte, sondern eher an mir, dass ich nicht selbstbewusst genug aufgetreten bin. Ich hatte auch ein totales Blackout, als ich aufgetreten bin, ich hab mich die ganze Zeit über versprochen und wusste manchmal gar nicht, was ich sagen sollte. Es kommt auch auf die Vortragsart an, so wie man es dem Publikum präsentiert.
Redaktion: Und das hat Lina souveräner hingekriegt…?
Mira: Ja, sie war total selbstbewusst. Ich war bei meinem Vortrag dauernd in einer Panik und dachte immer nur: Ach, was denken bloß die anderen Leute von mir…? – Als Lina auf die Bühne kam, hat sie das wirklich sehr selbstbewusst gemacht.
Redaktion: Ja, dann kommen wir zu dir, Lina. Worum ging’s bei deiner Präsentation?
Lina: Ich hab‘ das Buch präsentiert, dass ich als Halbjahresarbeit geschrieben habe. Das war aus einer anderen Zeit. Da geht’s um einen Jungen, der Neonazi wird. Ich hab aus meinem Vortrag ein Theaterstück gemacht – auf der einen Seite. Auf der anderen Seite habe ich eine Lesung veranstaltet.
Redaktion: Du hast die Bühne in zwei Hälften aufgeteilt?
Lina: Genau, mit einer Trennwand. Auf der einen Hälfte habe ich einen Tisch mit einer Tischdecke drüber und ein Glas Wasser hingestellt. An die Wand habe ich eine Folie geworfen mit dem Schriftzug: „Lesung: Lina Honens mit ihrem Roman: Die Sackgasse aus der Einsamkeit.“ Auf der anderen Hälfte habe ich halt einen Teppich hingelegt und Pflanzen hingestellt und so einen Laptop und Kuscheltiere und hinten noch eine Stellwand mit einer Peace-Flagge, die ich normalerweise in meinem Zimmer hängen hab‘ – eben um mein Zimmer darzustellen. Dann habe ich halt am Anfang mit einer Zwiebel begonnen, um also die Aufmerksamkeit für mich zu gewinnen, wo Daten vorgelesen wurden, in der Übergriffe von Neonazis vorkamen, zum Beispiel auf Ausländer oder auch ein behindertes Mädchen. Das waren so um die fünf Nachrichten, die von der CD kamen. Dann habe ich damit begonnen, was bei mir im Buch im Anhang steht, dass wir nämlich in einem Land leben, dass mit seiner Geschichte schwer zu kämpfen hat und das seinen Ruf als feindliches Land möglichst schnell verlieren möchte, dass sich aber trotzdem so viele Übergriffe auf Ausländer ereignen, dass viele Leute da weggucken und dass Politiker Wahlen gewinnen mit dem Versprechen, die Ausländergesetze zu verschärfen.
Danach bin ich in mein Zimmer gegangen und hab in einem Selbstmonolog überlegt, was ich als Thema nehmen könnte. Da habe ich mich daran erinnert, dass ich da noch eine angefangene Geschichte habe. So bin ich auf die Idee gekommen, dass ich ein Buch schreiben könnte. Dann habe ich mich daran erinnert, dass ich mal einen Dokumentarfilm gesehen habe, und bin so auf die Idee gekommen, die Geschichte eines Jungen zu schreiben, der Neonazi wird und hab dabei noch ein paar Sachen dazu geschrieben. Dann habe ich die Rolle gewechselt hab mein Jackett angezogen und hab eine Lesung aus meinem Buch gemacht, wo er mit seinem Vater telefoniert und wie er dann in die Neonaziszene hineingerät.
Danach hab mein Jackett wieder ausgezogen, bin in mein Zimmer gegangen und gespielt: Ah endlich ist die Schule zu Ende. Ich hatte ein Spieltelefon mit, hab‘ mich hingesetzt und hab‘ es klingeln lassen und da war Ines dran. Die war auch gerade bei der Halbjahresarbeit, und hab‘ ihr erzählt, wie ich jetzt den Übergang gestaltet habe und dass der Junge in meinem Roman jetzt Neonazi wird, hab‘ ihr erzählt wie meine Materialsuche war, wie ich das Buch aufgebaut hab‘, wie mir das Schreiben nicht schwer gefallen ist, sondern einfach und warum … und dann habe ich ihr erzählt, dass auf dem Höhepunkt meiner Geschichte darin besteht, dass ein Ausländer zusammengeschlagen wird und er dann in den Knast kommt. Dass ich kein Happyend machen möchte, aber auch kein trauriges, sondern eher ein offenes Ende. Daraufhin habe ich dann noch eine Lesung gemacht – und dann war’s zu Ende.
Redaktion: Ja, das klingt ja beides sehr beeindruckend. Worin bestanden die Preise?
Mira: Ich hab‘ einen East-Pac-Rucksack bekommen mit 20 Fine-Linern, und einem kleinen Notizbuch, ein hübscher Schnellhefter und eine Urkunde.
Redaktion: Darüber, dass ihr teilgenommen habt… Na, immerhin, das ist ja auch schon eine Auszeichnung. Ihr wisst, dass die Landesregierung Zuschüsse dazu gegeben hat, da es unter dem Label „Hochbegabtenförderung“ läuft.
Mira: Ja, aber ich fand es auch schon mal interessant, wie andere Schüler von andern Schulen das so präsentieren. Für uns ist das ja eine Selbstverständlichkeit, alle 5 Wochen einen Vortrag zu halten.
Redaktion: Für die andern ist das keine Selbstverständlichkeit?
Mira und Lina: Nee, die machen das nur einmal im halben Jahr.
Redaktion: Und trotzdem hat die Reformschule im letzten Jahr nicht gewinnen können. Wie lang gibt es diesen „Präsentations-Slam“?
Lina: Seit drei Jahren. Die Reformschule ist aber erst seit letztem Jahr dabei.
Mira: Also, wenn ich da noch mal dran teilnehmen könnte, was ich ja leider nicht kann, würde ich in jedem Fall noch einmal mitmachen. Man geht da nicht auf die Bühne und sagt, man muss jetzt gewinnen. Es geht gar nicht ums Gewinnen, sondern weil es eine tolle Erfahrung ist: Man fährt da mit seinem „Fan-Club“ nach Wiesbaden und kann dort einen Tag verbringen und etwas präsentieren, wo man Spaß dran hat. Man fährt dahin und denkt eben nicht: Oh mein Gott, jetzt muss ich da was präsentieren, da hab‘ ich jetzt aber auch gar keinen Bock drauf.
Lina: Ich würd‘ es nicht noch einmal machen wollen…
Redaktion: Nicht? Dabei hast du doch den ersten Preis gewonnen. Du meinst sicher, dass es für dich keine neue Herausforderung mehr sein würde…
Lina: Ja, das stimmt.
Mira: Ich finde, dass die ganze Aktion dazu beigetragen hat, mich selbstbewusster zu machen. Gestern war dieser Elternabend, auf dem wir vorgestellt haben, was wir im Praktikum gemacht haben. Da ist es mir auf einmal viel leichter gefallen, zu reden. Wenn man das Bild noch vor Augen hat, dass man dort vor mehr als 100 unbekannten Leuten geredet hat, und hier redet man vor ein paar Eltern, das war irgend wie harmlos dagegen. Im Nachhinein habe ich noch gedacht – ich hatte Karteikarten – dass ich das auch völlig ohne Hilfen hätte halten können, nachdem einmal dieser Vortrag in Wiesbaden vorbei war.
Redaktion: Was hast du eigentlich gewonnen – als ersten Preis?
Lina: Das gleiche wie Mira, nur noch ein PC-Lexikon dazu, einen Brockhaus.
Redaktion: Und das war alles?
Mira: Na klar: die Ente!
Lina: Den Wanderpokal, den wir aber noch bekommen werden.
Redaktion: Richtig, habe ich auch gehört. Die Ente ist das Wahrzeichen Waldaus, dort wo der Wettbewerb in diesem Jahr stattgefunden hat. Die darf unsere Schule so lange behalten, bis wir den „echten“ Wanderpokal bekommen.
Lina: Und von Frau Skischus haben wir auch noch jeweils ein Buchgeschenk bekommen.
Mira: In Wiesbaden war da noch so ein Fotograf, da mussten alle Teilnehmer noch posieren für ein Gruppenfoto der Teilnehmer.
Lina: Für was war das eigentlich?
Redaktion: Wahrscheinlich für eine Zeitung in Wiesbaden. Wäre auch für die HNA eine prima Schlagzeile gewesen. Aber so ist es auch nicht schlecht, da hat die Homepage einmal einen Exklusiv-Artikel zu diesem Thema. Prima, ich danke für das Gespräch.