Die Tauschbörse.

Die Tauschbörse 01 an der Reformschule…
Im Rahmen eines freien Projektes interessierten sich zwei SuS der IIIe für das Thema „Produktion von billiger Bekleidung in asiatischen Ländern“. Während der Recherche entstand ihre Idee doch selbst mit den Mitschülern*innen mal zu überprüfen, woher ihre Bekleidung so stammt und zu überlegen, wie man sich nachhaltiger verhalten kann. Sie wollten statt immer neue günstige Klamotten zu kaufen, gebrauchte, aber gut erhaltene Bekleidung sammeln und sie dann anderen zur Verfügung stellen…. und all dies gratis. Einen Versuch war es wert und so organisierten sie innerhalb ihrer Gruppe eine Tauschbörse. Jede/r SuS, der/die etwas mitbrachte, durfte sich – je nach Qualität wurden unterschiedlich viele Punkte vergeben – für die festgelegte Punktzahl dann etwas anderes aussuchen. Nach anfänglichem Zögern machten dann fast alle mit und manch einer ging zufrieden mit einem neuen Bekleidungsstück und einem guten Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben, nach Hause.
Nach diesem kleinen Erfolg wurde ein weitreichender Vorschlag gemacht …nämlich diese kleine Tauschbörse doch auf größere Beine zu stellen und sie auf die Stufe III auszuweiten. Die beiden fanden in zahlreichen Mitschüler*innen Mitstreiter*innen, die diese Aktion gerne mit planen wollten. So gab es schon seit einer gewissen Zeit Schüler*innen, die sich für eine Club of Rome- AG stark machten und die diese Idee mit unterstützten. Einmal pro Woche wurde sich getroffen und die Vorbereitung, die Werbung und die Organisation des Einsammelns und der eigentlichen Börse wurden besprochen, protokolliert, Plakate wurden liebevoll gestaltet, Schüler*innen gingen regelmäßig durch die Gruppen erklärten und erinnerten, eine PowerPoint klärte in der Pause auf…
Dann fehlte auch noch ein beträchtlicher Teil der Arbeitsgruppe, weil die Achterschüler*innen ihr Betriebspraktikum machten und so blieb die noch anstehende Arbeit erst einmal vorübergehend an wenigen hängen. Doch sie hielten durch und schließlich standen sie dann wenige Tage vor den Osterferien in den Pausen vor einem Differenzierungsraum im Erdgeschoss und nahmen plastikfrei verpackte und mit Namen und Gruppe markierte Bekleidungsstücke entgegen. Sie wurden zuerst nach Gruppen sortiert, damit man die fleißigste Gruppe herausfinden konnte. Diese durfte als erstes in die Tauschbörse und hatte somit die größte Auswahl. Einen Tag vor der Tauschbörse, die direkt am letzten Schultag vor den Ferien stattfinden sollte, wurde dann die Bekleidung nach Hosen, T-Shirts, Pullover usw. sortiert, Tische und Stühle umgestellt und eine Art Kasse aufgebaut, die die Punkte, die ein/eine SuS für seine mitgebrachte Bekleidung erhalten hatte mit dem neu ausgewählten Stück gegen rechnete, also alles völlig ohne Bargeld….
…und vor allem, ohne dass irgendwo auf der Welt sei es in Bangladesch, Vietnam oder China Frauen und Kinder unter z. T. lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung Billigware produzierten, deren Haltbarkeit schlecht ist und deren Kurzlebigkeit dazu führt, dass die Kleidungsstücke alsbald wieder zu ihnen als Müllpaket zurückkommen, vermutlich bei ihnen verbrannt werden und somit ihre CO2-Werte hochtreiben und ihrer Gesundheit schaden. Zu diesem Thema waren einige von ihnen auch schon von einem Kunstwerk der Documenta sehr beeindruckt gewesen, die genau diesen Stoffmüll-Transfer in Frage gestellt hatte.
Doch zurück zur Tauschbörse. Es stellte sich nun heraus, dass insgesamt in allen 6 Gruppen jeweils nur recht wenige Bekleidung zur Verfügung gestellt hatten, diese Schüler*innen aber jeweils sehr viel. Das Interesse sich etwas Gebrauchtes einzutauschen, auch wenn es frisch gewaschen und noch in gutem Zustand war und dann noch von jemandem, den man kannte und den man womöglich jeden Tag traf… der/die morgens sah, dass man sein/ihr T-Shirt trug…, der vielleicht nicht unbedingt zu den besten Freunden gehörte…. Nein, das konnten sich wohl viele nicht vorstellen. Die Idee grundsätzlich fanden viele gut, aber bei der Umsetzung zogen die meisten dann doch nicht mit. Es wurden schon einige Bekleidungsstücke erworben – keine Frage – doch die Arbeitsgruppe beschloss dann spontan, nicht nur diejenigen, die etwas mitgebracht hatten teilnehmen zu lassen – denn das waren faktisch nur sehr wenige -, sondern alle. Eine gute
Entscheidung, denn so war die Nachfrage gleich höher. Nach 1 1/2 Stunden waren alle 6 Gruppen der Stufe III in der Tauschbörse gewesen und hatten das Angebot genutzt. Die noch verbleibenden Bekleidungsstücke, die übrigens in der Regel in einem wirklich guten Zustand
waren – ein Dank an alle Spender*innen – wurden in einem geringeren Umfang an den Kontaktladen und der große Rest an die Ukraine-Sammelstelle abgegeben. Die Gruppe mit der größten Spendenbereitschaft – die IIIb – wurde noch mit einem extra Nachhaltigkeitspreis belohnt. Nun konnten die verdienten Ferien kommen.
Gleich nach den Ferien traf sich die Arbeitsgruppe und ließ das Ganze Revue passieren. Wie war denn nun die Tauschbörse abgelaufen? Hatte es sich gelohnt? Was müsste geändert werden, um das nächste Mal mehr SuS zu motivieren? Viele Details wurden diskutiert, aber auch größere Veränderungen. -Die Stufe IV musste beteiligt werden, nicht nur aus Nachhaltigkeitsgründen, sondern auch damit genug interessante Bekleidung in der richtigen Größe für die Achter dabei wäre. -Einig waren sich alle, dass sie einen wirklich sinnvollen Beitrag zu einem nachhaltigeren „Schulleben“ geleistet hatten und sie echt stolz auf sich sein konnten. -Eines war auch sicher: die Organisation hatte bis auf wenige Details richtig gut geklappt. -Klar war aber auch, dass im Vorfeld einer zukünftigen Tauschbörse noch einiges an Bewusstseinsarbeit nötig sein würde, wollte man die Börse auf ein stabiles Fundament stellen und möglicherweise sogar zu einer wiederkehrenden Einrichtung machen. Die Schülerschaft musste davon überzeugt sein, dass es keine Rolle spielt,- wenn das Bekleidungsstück nicht mehr niegelnagelneu ist und kein Preisetikett trägt, schließlich ist es frisch gewaschen,- wem das T-Shirt vorher gehört hat, dass man sich doch freuen kann, wenn es noch von jemandem anderes weitergetragen wird und man es noch manchmal im Schulalltag sieht. Es muss allen SuS nahegebracht werden, dass sich in unserer Konsumgesellschaft mit seiner Fast-Fashion Idiotie, unbedingt etwas ändern muss. Eine Welt, in denen Modewellen immer kürzer aufeinander folgen, nur damit wir alle immer mehr kaufen und nicht weil wir es brauchen. Auf diese Weise unterstützen wir immer weiter diese menschenunwürdigen Bedingungen in den anderen Ländern, produzieren immer mehr Müll. Wir können doch nicht immerzu damit fortfahren zu sagen: „die Anderen, sollen doch die Anderen da mitmachen, mich betrifft das alles nicht“. Oder können wir das vielleicht doch? Ja klar! Schnell weggucken, wenn Bilder im Fernsehen, in Zeitschriften plötzlich wehtun, mich irgendwie treffen, wenn mich jemand auf der Straße um meine Unterschrift dagegen bittet, wenn ich Farbe bekennen soll, wenn ich im Geschäft ein T-Shirt sehe, dass genau zu meiner Hose passt. Ach, dann ist das doch alles so weit weg. Mit mir hat das rein gar nichts mehr zu tun. Nein, einfach so weitermachen wie bisher… „Papa, Mama, ich brauche unbedingt ein neues T-Shirt…“
(Schalles+Schüler*innen)